Kunststoff-Sattelbaum in der Warmverstellung, was ist zu beachten?

Pferde verändern sich in der Sattellage viel und teilweise regelmäßig. Hierdurch muss die Kammerweite am Sattel je nach Entwicklung der Pferdemuskulatur vergrößert oder verkleinert werden. Dies sollte ein guter Sattel und ein guter Sattelbaum mitmachen können, daher auch dieser Bereich entsprechend in der Werbung ausgiebig und offen kommuniziert werden.
Die Garantieaussage des Herstellers sollte daher hierauf eingehen und nicht hierzu im Widerspruch stehen. Ein typischer Fall ist dies, wenn eine Verstellbarkeit beworben, aber die Bearbeitung oder Veränderungen am Sattelbaum über die Garantieaussage ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich: Eine Warmverstellung ist nichts für vor Ort. So etwas ist nur in der Werkstatt möglich. Bei manchen Sätteln auch nur dem Werk, in einem nicht näher erklärten Verfahren, vorbehalten.
Das Warmverfahren wird bei reinen Kunststoffbäumen (ohne Kopfeisen) vorgenommen. Hierbei wird der Sattelbaum zuvor mit einer speziellen Wärmelampe je nach Herstellerangabe meist ca. 1 Stunde erwärmt und dann auf die entsprechende Ortgangweite verpresst. Hierbei ist eine präzise Ausrichtung der Wärmelampe, gleichmäßige Erwärmung sowie spätere Rückfederwirkungen des Kunststoffes zu berücksichtigen. Ansonsten sind Asymmetrien praktisch vorprogrammiert. Der nun gleichmäßig erwärmte Frontbereichs des Kunststoffbaums muss dann entsprechend im verpressten Zustand langsam auskühlen. Dieser Auskühlvorgang dauert größtenteils über 12 Stunden. Aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses von Kunststoffen ist dies nicht dauerhaft möglich und die Rückfederwirkung des Kunststoffes ist nach der Abkühlzeit, gerade bei älteren Sätteln, nicht einzuschätzen.

Da ich mit der Warmverstellung von Kunststoffbäumen oft schon keine guten Erfahrungen gemacht habe, genauer gesagt Rückstellkräfte die Bemühungen in kurzer Zeit zunichtegemacht haben, kann ich dies nicht empfehlen. Auch bei der Überprüfung von derlei Arbeiten von Kollegen konnte ich keine dauerhafte Stabilität dieser Veränderungen zur Originalweite feststellen. Daher ist, gerade bei älteren Sätteln, von Investitionen wie Neupolsterung/Verstellung nur abzuraten.
Es fehlt mir ganz einfach ein solides Kopfeisen, welches die Kräfte aufnimmt, auch wenn der Reiter die Belastung in den Steigbügel bringt. Dadurch kommt es oftmals, bei zudem noch zu kurzen Ortgängen zu einer federnden Wirkung im Trapezbereich, welchen ich nach meiner Meinung am treffendsten als Wäscheklammer-Effekt beschreibe.

In diesem Zusammenhang sind oftmals auch Kissen am Sattel festzustellen, bei denen sich ein starker Wulst im aktiven Schulterbereich ablegt und somit wie ein Bremsklotz die Bewegung behindert. Oftmals sind hiermit Verspannungen und Schiefstellungen im Schulterbereich einhergehend. Das starke Aufpolstern im Trapezbereich wird von den Kollegen hierbei mit dem Fakt begründet, dass der Sattel ansonsten hinten wippt. Eine wenig zielführende Überlegung, wenn das Pferdewohl und die eigentlich zugrundeliegende Sattel-Problematik berücksichtigt wird.

Im weiteren Zusammenhang kann ich nur auf die Informationen in meinem Infoblatt Fremdsattelcheck verweisen.

Als Tipp, wenn Sie sich entschließen, diese Veränderung der Kammerverstellung durch einen Vertriebspartner der jeweiligen Marke durchführen zu lassen: Fixieren Sie schriftlich den Auftrag. Machen Sie Fotos und am besten Schablonen vom Ist-Zustand, bevor Sie den Sattel aus Ihrer Hand geben. Lassen Sie sich erklären, dass diese Veränderung zielführend, ausreichend und notwendig für den aktuellen Stand an Ihrem Pferd ist. Überprüfen Sie die Ausführung des Auftrags, indem Sie vor und nach der Verstellung die Ortgangweite an den Points messen und nur nach erfolgreicher abgesprochener Verstellung die Rechnung akzeptieren. Meist ist mit zwei Schrauben das Kissen am Sattelbaum fixiert und somit hierfür leicht zu entfernen.

Grundsätzlich muss aber immer der Einzelfall angeschaut und geprüft werden. Einen Sattel allein zu beurteilen, ohne Daten von Pferd und Reiter vorliegen zu haben, ist nicht sinnvoll, da unvollständig.

Hier Gummikappen an den Ortgangenden.

Powered by BetterDocs