Thermografie kann ein Eindrucks-Instrument sein, aber sie liefert nicht automatisch verlässliche Hinweise auf Sattelprobleme, wenn sie allein angewendet wird. Mehrere aktuelle Studien und unabhängige Messverfahren wie Druckmatten zeigen: Wärme =/ Druck. Das heißt: Nur weil eine Stelle wärmer oder kühler ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass dort ein hoher Druck besteht oder ein Passformproblem vorliegt.
In einer Untersuchung von MacKechnie-Guire et al. (2021) wurde z. B. konkret die Thermografie mit dem Pliance-Druckmesssystem verglichen: Zwar zeigten unterschiedliche Sattelbreiten (zu eng, zu weit, korrekt) signifikante Druckveränderungen, aber die Temperaturmuster (Thermografie) korrelierten nicht zuverlässig mit den Druckspitzen oder Druckverteilungen [Quelle: MacKechnie-Guire et al. 2021, Animals].
Auch die Society of Master Saddlers in Großbritannien betont in ihren Materialien (z. B. beim „Direct Comparison of Pliance and Thermography“), dass die Thermografie allein keine sichere Methode ist, um Sattelpassform zu beurteilen. Ergänzende Messverfahren und fachkundige Kontrolle sind nötig [Quelle: Society of Master Saddlers – Pliance Research].
Was Thermografie kann / wozu sie nützlich ist: #
- Hinweise liefern, z. B. auf Hotspots / Überhitzung oder ungewöhnliche Wärmeverteilung nach dem Reiten.
- Ein ergänzendes visuelles Werkzeug, insbesondere wenn man schon eine Druckmessung (z. B. mit Pliance oder vergleichbaren Sensorplatten) oder eine physische Begutachtung vorgenommen hat.
- Kann bei sachgerechter Vorbereitung (z. B. sauberes, trockenes Fell, gleiche Umgebungsbedingungen, vor und nach Belastung messen) unterstützend sein.

Beschränkungen und Vorsicht: #
- Thermografie misst Temperatur an der Haut / Oberfläche, nicht direkt den Druck auf Muskulatur, Knochen oder Kissen.
- Verzögerungseffekte: Wärme kann sich nach der Belastung erst langsam ändern oder „nachglühen“.
- Einflussfaktoren wie Felllänge, Schweiß, Umgebungstemperatur, Wind, Feuchtigkeit, Luftzug, etc. können die Thermogramme stark beeinflussen.
- Studien zeigen, dass oft kein klarer linearer Zusammenhang zwischen hohen Druckwerten und deutlich erhöhter Temperatur besteht [Quelle: MacKechnie-Guire et al. 2021].
- Vorbereitungen sind aufwendig: Der Sattel muss vorher korrekt eingestellt / angepasst sein, Pferd muss in Ruhe sein, belastende Bewegungen standardisiert sein etc. Ohne diese Kontrolle sind Thermografieaufnahmen kaum aussagekräftig.
⚠️ Achtung Geschäftemacherei #
Einige Sattelhersteller nutzen Thermografie-Bilder gezielt für Marketingzwecke. Farbige Wärmebilder wirken auf den ersten Blick beeindruckend und sollen angeblich eine perfekte Druckverteilung oder einen „kühlen Rücken“ belegen. Tatsächlich fehlt dafür jedoch eine wissenschaftlich belastbare Grundlage. Solche Abbildungen sind oft mehr Werbung als objektiver Nachweis und dürfen nicht mit unabhängigen, reproduzierbaren Druckmessungen verwechselt werden [Quelle: ProPferd.at – „Thermografie im Einsatz“].
Missbrauch in der Praxis #
Leider wird die Thermografie – trotz besseren Wissens – von manchen Pferdephysiotherapeutinnen als sogenannte „Sattelthermografie“ angeboten. Dabei wird mit Wärmebildern suggeriert, dass sich hieraus belastbare Aussagen zur Sattelpassform ableiten ließen. In Wirklichkeit fehlen hierfür wissenschaftliche Grundlagen und validierte Protokolle [Quelle: Sattlerei Steitz – eigene Erfahrung und Fachartikel].
Unser Fazit: #
Thermografie allein ist kein verlässliches Werkzeug für eine fundierte Sattelprüfung. Sie kann höchstens ein Warnsignal oder Ergänzung sein, z. B. in Kombination mit Druckmessung und fachkundiger Sattlerarbeit. Wer Thermografie anbietet sollte transparent machen, welche Messmethoden, Kontrollbedingungen und Referenzwerte verwendet werden – und darf keine Garantien aus der Thermografie allein ableiten.
